🎙️ Interview mit Cornelia Born, Elternrat

Cornelia Born, Ben Zaugg

Podcast-Interview mit Cornelia Born. Sie wohnt in Belp, ist in der Liegenschaftskommission, im Elternrat und selbst Mutter eines schulpflichtigen Kindes.

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Heute spreche ich mit Cornelia Born. Sie ist in der Liegenschaftskommission, im Elternrat und selbst Mutter eines schulpflichtigen Kindes. Herzlich Willkommen.

Danke.

Durch deine unterschiedlichen Rollen hast du viele Perspektiven auf die Schulen in Belp. Heute werden wir vor allem über die Sicht der Eltern resp. des Elternrates sprechen. Braucht es eurer Ansicht nach eine neue Schulanlage?

Ja, ich denke, es braucht zwingend und dringend eine neue Schulanlage. Die aktuelle Schulanlage Mühlematt ist uralt und hat eine Naphthalin-Problematik. Die Anlage entspricht zudem nicht mehr den heutigen Anforderungen, um zeitgemäss zu unterrichten. Es fehlen beispielsweise Gemeinschaftsräume.

Du hast nun schon ein paar Punkte genannt, warum es eine neue Schule braucht. Da ist einerseits dieses Naphthalin, also ein Giftstoff der in den Wänden und andererseits entspricht vieles nicht mehr der Art und Weise wie man heute unterrichtet. So zum Beispiel die fehlenden Gruppenräume. Was ist nun den Eltern oder dem Elternrat wichtig bei einem Neubau?

Es sollte in Dimensionen gebaut werden, damit man in zehn Jahren nicht wieder etwas Neues bauen muss. Das heisst, nicht zu klein, aber man sollte das auch nicht zu gross machen. Denn es bringt nichts, wenn viele Räume leer bleiben. Für leere Räume hätte ich zwar Ideen. Für den Elternrat ist es, glaube ich wichtig, dass man jetzt überhaupt einmal etwas macht. Jahrelang hat man nur Unterhalt gemacht und das wars. Die Schulanlagen sind teilweise in einem himmeltraurigen Zustand. Es sind Dinge, die ich sehr bedenklich finde, wie zum Beispiel diese Naphthalin-Problematik. Da sind Kinder, die Kopfschmerzen haben und Lehrpersonen, die Probleme haben. Zurzeit hat man dafür zwar Lüftungsanlagen als Lösung, aber das kann langfristig ja nicht so weitergehen.

Bis das Schulhaus steht, geht es noch einige Zeit und es ist ein langfristiges Zukunftsprojekt. So würden zum Beispiel die Kinder deiner Tochter, die heute die Unterstufe besucht, einmal in dieser neuen Schulanlage zur Schule gehen. Es ist also ein Bau für die Zukunft, die wir noch nicht kennen. Du hast aber bereits Ideen, die zukunftsfähig sind?

Eine Schulanlage sollte auch für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Klar, der Schulraum für Schule und Lehrerschaft sollte vorhanden sein. Hier, im Coworking Space Effinger, wo wir das Gespräch aufnehmen, sind wir ja an einem inspirierenden Ort, an dem vieles zusammenkommt. Man könnte in der neuen Schulanlage beispielsweise Büroräume vermieten, so hätte die Gemeinde auch etwas davon. Man könnte die Anlage auch sonst der Öffentlichkeit zugänglich machen und zum Beispiel die Schulküche für Feste vermieten oder Sitzungsräume anbieten. So, dass es dynamisch wird und nicht nur starr für die Schule genutzt wird.

Wenn man in skandinavische Länder schaut, dann hat man recht wenig Schulraum zur Verfügung, dafür sind sie bei der Nutzung viel kreativer. Mit dem Projekt «Le Fil Rouge» gehen wir schon einen grossen Schritt in diese Richtung. Es ist ein gutes Projekt, bei dem neben den Schülern auch die Öffnung für die Gemeinschaft ermöglicht würde. Meine Vision von Schule ist: es muss mehr leben.

Vielleicht ist es nur meine Ansicht, aber ich erlebe die Schule als sehr starr. Die Kinder gehen dorthin, sie gehen wieder nach Hause und das war Schule. In meinen Augen könnte Schule noch viel mehr sein. Kinder lernen in einer gewissen Atmosphäre viel schneller und besser. Sie interessieren sich vielleicht dann auch in der Freizeit für gewisse Dinge, die man in diesem Schulraum integrieren könnte.

Hast du konkrete Beispiele, wie Schulräume oder die Raumaufteilung anders genutzt werden könnten, damit Kinder freier oder anders lernen könnten?

Die Kinder sollten mitgestalten können. Es wäre schön, wenn der Bau die Möglichkeiten bieten würde, dass die Kinder selbst mit Farben und Materialien ihren Raum gestalten und einrichten können. Licht, also natürliches Tageslicht ist ein weiterer Faktor, den ich als wichtig erachte. Wir sollten das, was wir schon zur Verfügung haben auch nutzen. Weiter sehe ich Orte, an denen sie sich einfach austoben können. So wären sie auch im Unterricht dann wieder ruhiger und konzentrierter. Wenn es Räume sind, die ihnen selbst Spass machen, die sie selbst mitgestalten können, dann hat das noch einmal eine ganz andere Wirkung.

Ist das auch eine Nachricht an die Architekt*innen, dass es baulich schön sein soll aber auch so, dass die Kinder es mitgestalten können?

Ja, das Zweite finde ich noch wichtig. Wir wissen nicht, wie in 20 Jahren unterrichtet wird. Das Schulhaus soll nicht gebaut werden und dann merkt man nach 20 Jahren, dass es wieder etwas Neues braucht. Es soll so sein, dass wir mit der Zeit gehen können.

Ich vergleiche das manchmal auch mit einem Baukastensystem. Wir bauen das jetzt, weil wir es so brauchen, aber in zehn Jahren benötigen wir es anders. Dann sollte die Anpassung möglich sein. Es ist wie bei den Spielplätzen. Wir bauen sie hin und denken bereits daran, sie ausbaufähig zu machen. Das finde ich ganz wichtig.

Nicht nur Schule, sondern auch Lebensort. Ein Ort der mitlebt und sich anpassen lässt. Ich möchte noch einmal auf die Schule als Lebensort zurückkommen. Das heisst, neben den Schüler*innen würdest du auch Räume sehen, welche die Bevölkerung nutzen kann? Gibt es konkrete Beispiele aus Skandinavien?

Das kenne ich aus einer Reportage. Da war eine Architektin, die Kinder hat und ihr Büro in der Schule hat. Sie müsste also nicht um Punkt 12 zu Hause sein. Wobei sie oft Tagesschulen haben und das so keine Rolle spielen würde. Es würde aber auch Möglichkeiten bieten, dass eine Mutter, die Hausfrau ist, für die Tagesschule kochen könnte. Man könnte also Synergien bewusst nutzen. Ich denke nicht, dass wir das in unserem System von heute auf morgen hinkriegen würden, das ist klar. Mit dem Neubau sehe ich Chancen für genau solche Ideen.

Wer keine Kinder hat, interessiert sich wahrscheinlich kaum für die Schulanlage und hat nicht viel davon. Beim Projekt «Le Fil Rouge» ist die Rede davon, die Anlage zum Dorf hin zu öffnen. Würde das helfen, die Anlage für die Bevölkerung zugänglicher zu machen?

Genau, es kann ein Begegnungsort werden, an dem man sich auch trifft. So können sich ältere Generationen vielleicht auf einer Bank treffen oder mit dem Enkelkind einen Spielplatz besuchen. Bei diesem Projekt bieten sich solche Möglichkeiten an. Ich sehe dort recht viel Potenzial. Das muss nicht alles von Anfang an so sein. Es darf sich über die Jahre auch entwickeln. Die Menschen, die das Schulhaus jetzt bauen, sind nicht die Generation, welche später dort unterrichten wird. Eigentlich müssten wir unsere Kinder fragen, wie sie das später machen werden. Das ist aber leider nicht möglich.

Man muss also einiges an Vorstellungskraft haben.

Und etwas wagen. Wenn man schon so viel Geld in die Finger nimmt, dann muss man auch etwas wagen.

Dann würdest du sagen, es braucht auch Mut?

Es braucht Mut. Es werden auch ältere Generationen abstimmen, die eigentlich nichts mit der Schule zu tun haben und sowieso ganz anders Schule hatten, als das heute der Fall ist. Ich selbst bin ein zukunftsorientierter Mensch und denke, man muss auch einmal etwas wagen, auch wenn es sich später als falsch herausstellt. Sonst werden wir nie herausfinden, was möglich ist.

Hat das Projekt, so wie es auf den Plänen steht die Voraussetzungen, dass diese Gedanken und Ideen umgesetzt werden könnten?

Es hat sicher einige davon drin und nicht alles. Der Standort wäre beispielsweise eigentlich am besten mitten im Dorf, aber den Platz dafür haben wir ja dort nicht. Ich habe auch viele kritische Aspekte an diesem ganzen Projekt. Ich bin nicht Architektin und kann sagen, ob alles so passt. Aus Sicht der Eltern kann ich mir das sehr gut vorstellen, weil wir unseren Kindern einen Ort bieten wollen, an dem die Kinder Freude haben, sich gut entwickeln und wohlfühlen können. Das führt dann auch in der Freizeit zu weniger Problemen. Ich spreche aber nicht nur als Mutter.

Bringen wir doch diese Sicht gleich ein. Es ist kein Geheimnis, dass diese Schulanlage für die Gemeinde ein sehr grosses Projekt ist und das ganze Dorf fordern wird. Gibt es von Seiten der Eltern oder des Elternrates auch Bedenken zu diesem Neubauprojekt und wo sind deine kritischen Punkte.

Der Elternrat ist grundsätzlich für das Projekt. Ich kann aber von mir sprechen, denn durch meine Rolle in der Liegenschaftskommission habe ich noch eine andere Perspektive. Dadurch stehe ich dem Projekt auch kritisch gegenüber. Das Projekt ist so gross, dass es unterhaltsstrategisch und finanziell kaum machbar ist. Wir müssen schauen, ob wir das finanziell überhaupt stemmen können und den Steuersatz allenfalls anpassen.

Da mache ich mir natürlich auch als Mutter Gedanken. Wir haben dann ein wahnsinnig tolles Schulhaus aber hinterlassen wir unseren Kindern einen riesen Schuldenberg? Was haben sie dann also von diesem Schulhaus? Es sind die zwei Seiten der Medaille. Unterhaltsstrategisch bin ich also nicht dafür. So kommen wir aber nie zu dem, worüber wir vorhin gesprochen haben. Wir können nicht immer bei der Bildung sparen und müssen dort investieren. Ich frage mich auch, ob jetzt der richtige Zeitpunkt für ein Neubau ist? Durch die aktuellen Ereignisse (Krieg, Corona etc.) haben sich die Preise erhöht und Materialien sind schwerer verfügbar. Ich nicht das Projekt an und für sich in Frage, sondern eher, ob es der richtige Zeitpunkt ist. Vielleicht könnten wir es in Etappen machen. Ich habe auch keine Lösung.

Schule oder die Schulanlage sollte neu sein, damit sie zukunftsfähig ist und dem gegenüber stehen die grossen Kosten. Irgendwo zwischendrin siehst du aber Chancen für die Gemeinde, wenn neben Schule auch ein Ort für die Gemeinde entsteht. Also ein Ort, an dem sich Menschen und Generationen begegnen können. Kann man es auch als eine Investition in die Zukunft sehen?

Für mich ist klar, wenn man es nur als Schule ansieht, dann habe ich viel mehr Bedenken, als wenn man es als öffentlichen Ort gestaltet. Klar, für uns wird zur Abstimmung kommen: neues Schulhaus ja oder nein. Wir können dort nicht noch über die Umsetzung diskutieren. Die Frage ist, wie wir dann die Weichen stellen. Rein als Projekt Zukunftsschule sage ich ganz klar Ja.

Es ist eine Chance und hat riesen Potenzial. Dort lege ich den Architekten und der Gemeinde ans Herz, dass sie offen für solche neuen Wege sind. Vielleicht denken wir heute noch, dass man es nicht machen kann, aber das haben schon viele gedacht und dann wurde das Rad erfunden etc. Deshalb finde ich es schon wichtig, dass wir dort klar hinschauen und wenn wir Räume vermieten können, dann kommt wieder Geld rein. Vielleicht sind wir dann das erste Modell, das in der Schweiz so funktioniert, das als Vorbild dient. Es hätte als attraktiver Arbeitsplatz sicher im Hinblick auf den aktuellen Lehrer-Mangel einen positiven Einfluss.

Herzlichen Dank für das Gespräch

Danke auch.

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Interview: Ben Zaugg
Über die Personen

Cornelia Born wohnt in Belp, ist in der Liegenschaftskommission, im Elternrat und selbst Mutter eines schulpflichtigen Kindes.

Ben ist Experte für Kommunikation und Podcasts. Im Projekt Mühlematt führt er die Podcast-Interviews. Sonst beschäftigt er sich mit neuen Arbeits- und Lernformen und begleitet andere dabei, ihre berufliche Zukunft zu gestalten.